Gute Nachbarn werden – ein etwas holpriger Weg aufeinander zu

 

Im folgenden schildere ich meinen persönlichen Blick auf den Prozess "Nachbarschaftsraum" und den Seminartag am 20. April 2024.

Vielleicht ist ein bisschen Druck manchmal gar nicht schlecht, um gute Erfahrungen zu machen. Das war der Gedanke einiger Teilnehmer beim Treffen des Nachbarschaftsraums am 20. April 2024 in den Räumen der Sparkasse in Bad Marienberg.

Denn der Nachbarschaftsraum „Westerwald Nord“ liegt im Verhältnis zu den anderen im Dekanat Westerwald zurück. Es hat doch einige Zeit gedauert, bis sich alle Beteiligten darüber einig waren, es sei Zeit sich zusammenzuraufen. Obwohl die Gründe auf dem Tisch lagen. Kirchenaustritte, geringer werdende Einnahmen, Pfarrermangel sind nur einige Themen aus einer Fülle, die neue Formen der Zusammenarbeit zwingend machen.

Aber das gut besuchte Arbeitstreffen unter Moderation des IPOS (Institut für Personalberatung,  Organisationsentwicklung und Supervision der EKHN) hat das Vertrauen in eine gelingende gemeinsame Zukunft deutlich gestärkt. Die Kirchengemeinden Bad Marienberg, Kirburg und Unnau wollen in den nächsten Jahren zu einem Nachbarschaftsraum zusammenwachsen. Die Linie ist damit klar. „Ich glaube, mit den Kirchenvorsteherin und Kirchenvorstehern der anderen Gemeinden kann ich zusammenarbeiten,“ war der allgemeine Tenor. Eine gute Basis, um auch schwierige Themen angehen zu können.

Am Samstag, dem 20. April ging es nun an erste Einzelheiten. Wie ist das mit den Gottesdiensten, wie viel Gebäude müssen verkauft werden, wie kann die Kooperation von Kirchenvorständen und den vielen Mitarbeitern gefördert werden? Es wurden keine bindenden Beschlüsse gefasst, dafür ist es noch deutlich zu früh. Aber alle wichtigen Themen kam auf den Tisch. Den gemeindeleitenden Frauen und Männern wurde der Umfang des großen Werkes vor Augen geführt. Und sie haben sich nicht davor gedrückt anzupacken.

Unsere Landeskirche arbeitet seit Jahren an einer mittelfristigen Perspektive. Wie wird die Arbeit der Landeskirche, wie wird das Leben der Gemeinden im Jahr 2030 aussehen?. „Der Prozess ekhn2030 - Licht und Luft zum Glauben verfolgt das Ziel, notwendige Einsparungen umzusetzen und die EKHN fit für die Zukunft zu machen. So gestalten Gemeinden Nachbarschaftsräume, in denen innovative Verkündigungsteams aus Pfarrer:innen, Kirchenmusiker:innen und Gemeindepädagog:innen regionale Einheiten bilden. Diese Zusammenarbeit ermöglicht effiziente Ressourcennutzung und neue Wege in der lokalen Arbeit, von Gottesdiensten bis zu Aktivitäten in den Kommunen.“ So fasst es die EKHN - Homepage zusammen. (https://www.ekhn.de/themen/ekhn2030)

Dekan Dr. Axel Wengenroth brachte gute Nachrichten mit. „Mit dem Inkrafttreten des Konzepts der Nachbarschaftsräume spätestens im Jahr 2027 werden voraussichtlich fünf von bisher sechs Pfarrstellen im Nachbarschaftsraum erhalten bleiben. Und auch was die konkrete Besetzung angeht, sehe ich ein Silberstreif am Horizont.“ Der ist auch dringend nötig, denn ab Oktober 2024 sind immerhin drei von sechs Pfarrstellen unbesetzt (0,5 Höhn, 0,5 Kirburg, 1,0 Unnau, 1,0 Bad Marienberg). „Wir werden in der Zusammenarbeit von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen, Pfarrern und Prädikant neue Wege gehen. Die Zusammenarbeit wird intensiver werden, Aufgaben werden häufiger über Gemeindegrenzen hinweg wahrgenommen.“

Konfirmandenunterricht über drei Gemeinden von einem Pfarrerteam – kann das gehen? „Das geht in anderen Gemeinden auch schon, warum nicht bei uns?“ Ein Busdienst, der Senioren zu den Angeboten ein paar Kilometer weiter bringt, könnte eine Lösung sein, wenn nicht überall Seniorennachmittage angeboten werden können.

Schwierige Fragen im Einzelnen zeigen sich besonders beim Erhalt der bestehenden Gebäude. Im Verhältnis zur Anzahl der Gemeindeglieder ist in unserem Raum zu viel Veranstaltungsfläche vorhanden. Die Vorgabe von der Kirchenverwaltung in Darmstadt sieht radikale Kürzungen vor. Aber wie kürzt man eine Kirche? Man kann ja nicht einfach ein paar Quadratmeter herausschneiden. Ab Anfang 2025 wird eine vom Dekanat bestellte Gruppe von Fachleuten von Gemeinde zu Gemeinde ziehen und den Gebäudebestand (erneut) begutachten. In Zusammenarbeit mit den Kirchenvorständen soll dann ein Vorschlag zur Nutzung über das Jahr 2027 hinaus erarbeitet werden. Es wird nicht ohne Verkauf von Gebäuden abgehen. Bittere Entscheidungen werden getroffen werden müssen. Das war allen Beteiligten am Nachbarschaftsraumtag klar.

In den nächsten 30 Monaten wird es für die gemeindeleitenden Gremien viel Arbeit geben. Entwicklung von Struktur und Organisation, Finanzen und Rechtlichem werden viele Arbeitsstunden kosten. Das kann ein Kirchenvorstand allein überhaupt nicht schaffen. Es wird darauf ankommen, dass weitere Gemeindeglieder sich bereit erklären, an der Weiterentwicklung unserer Gemeinschaft mitzuhelfen. Noch dazu, da ja eine christliche Gemeinde nicht nur die Selbstorganisation zur Aufgabe hat. Mehr noch geht es ja um das Weitergeben der Liebe Gottes in Wort und Tat. Wir sollen ja auf andere Menschen zu gehen. Für eine begrenzte Zeit wird der Schwerpunkt „eigene Gestalt“ unsere Kräfte in Anspruch nehmen. Aber dann muss es auch wieder an unsere eigentliche Aufgabe gehen, den Menschen in Wort und Tat von der wunderbaren Liebe Gottes zu berichten.

Text: Karl Jacobi / Fotos: Rüdiger Stein