Warum Christen neu lernen müssen, über ihren Glauben zu sprechen

Wie können wir außerhalb der Gemeinde über unseren Glauben sprechen – verständlich und ehrlich? Der Theologe Ulrich Neuenhausen meint: Viele Christen haben ihre Sprachfähigkeit verloren. Wer andere mit dem Evangelium erreichen will, muss also neu lernen zu reden – und zu hören.

Nächste Woche wirst du Zeugnis geben.“ Wie unangenehm! Ich hatte gerade zum Glauben an Jesus gefunden – ohne christlichen Hintergrund. Ein Freund lud mich in eine christliche Jugendgruppe ein, und jetzt sollte ich ihnen mein „Zeugnis“ geben? Ich dachte dabei an mein Schulzeugnis: Ich war ziemlich faul, auf meinem Zeugnis gab es lauter Dreien und Vieren. Peinlich!

Verloren in der eigenen Blase

Dieses Missverständnis zeigt ein tieferes Problem: In christlichen Gruppen entsteht oft eine eigene Sprache. Wer von außen kommt, versteht sie nicht. Und wer sie spricht, merkt meist gar nicht, wie fremd sie wirkt. So entsteht ungewollt Distanz und Entfremdung. Eines der größten Hindernisse in der Evangelisation besteht somit im Verlust der Sprachfähigkeit. Wir wissen überhaupt nicht mehr, wie wir mit säkularisierten oder materialistisch orientierten Menschen sprechen können. Wir versuchen, unseren Glauben zu erklären, und werden nicht verstanden. Das führt auf Dauer zu Unsicherheit. Manche sagen dann lieber gar nichts mehr. Am Ende verlieren wir auch noch das Interesse, Menschen mit dem Evangelium zu erreichen.

 

„Die Neuen“ sollten dolmetschen

Aber es gibt einen Ausweg. Als Gemeinden können wir die Sprache der Menschen außerhalb unseres Dunstkreises erlernen. Wir brauchen dafür „Sprachhelfer“ – also Menschen, die in der Sprache unserer Gesellschaft zu Hause sind. Gerade von den „Neuen“ in der Gemeinde können wir ihre Sprache, ihre Vorlieben und ihr Weltbild lernen. Fragen wir sie doch, ob sie die Sprache unserer Gottesdienste bzw. Predigten verstehen. Fragen wir sie, wie sie Texte der Bibel verstehen. Fragen wir sie, was ihnen die Lieder sagen, die wir singen.

Raus aus der Gemeinde, rein ins Leben

Wenn es in der Gemeinde keine „Neuen“ gibt, wird es Zeit, selbst loszugehen und sie zu suchen. Die Orte sind vielfältig: Arbeitsplatz, Sportverein, Elternpflegschaft, Straßenfest, Kulturverein, Nachbarn, Radsportgruppe, Infoabend und vieles mehr. An Möglichkeiten mangelt es nicht. Eher wohl an der Bereitschaft, Zeit in das Erlernen der fremden Sprache zu investieren, oder an Mut, mit unserer Unsicherheit trotzdem loszuziehen und Begegnungen zu riskieren.

Gebet verändert – uns selbst zuerst

Wer sich nicht überwinden kann, der kann zumindest schon mal mit Beten beginnen: für Nachbarn, Kollegen oder Sportfreunde. Beten eröffnet Möglichkeiten und verwandelt mein ängstliches in ein mutiges Herz. Der beste Weg zum Lernen einer Sprache? Das neu Erlernte sofort selbst ausprobieren.

Von Paulus lernen

In dem Maße, wie wir echte Begegnungen mit Menschen erleben, lernen wir auch, in ihrer Sprache von unserem Glauben zu reden. Mein großes Vorbild ist Paulus. Er macht in Athen (Apostelgeschichte 17) erst mal eine Stadtbesichtigung und schaut sich das an, was er eigentlich nicht mag: Götzenaltäre. Trotzdem endet er genau hier einen wunderbaren Anknüpfungspunkt, um den Athenern von Jesus zu erzählen. Den Freundeskreis erweitern Wer verständlich über seinen Glauben reden will, sollte seinen Freundeskreis erweitern – über die Menschen hinaus, die genau so denken und fühlen wie man selbst. Nur außerhalb unserer Komfortzone werden wir lernen und fähig werden, überzeugend von unserem wunderbaren Herrn und Meister zu sprechen. Probieren wir es aus!

Ulrich Neuenhausen

Ulrich Neuenhausen ist seit 2010 Leiter des evangelikalen „Forums Wiedenest“ (Bergneustadt). Das Werk ist in drei Arbeitsbereichen tätig. Neben dem Bereich „Weltweite Mission“ gibt es die Biblisch-Theologische Akademie und das Jugend- und Gemeindeforum, das Konferenzen, Fortbildungen und Freizeiten organisiert.

aus: IDEA DAS CHRISTLICHE SPEKTRUM 22.2025

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