Die Deutschen ziehen sich immer mehr in sich zurück. Die Welt erscheint voller Gefahren, Unsicherheiten und Bedrohungen. Dabei brauchen wir gerade jetzt mutige Menschen, die nicht resignieren, sondern Verantwortung übernehmen und Vertrauen schöpfen.
Stimmung im Land
Der Psychologe Stephan Grünewald untersucht seit vielen Jahren die Stimmung im Land. In jährlich rund 5000 „Tiefeninterviews“ – langen Gesprächen von zwei bis drei Stunden – hört er aufmerksam zu, wenn Menschen über ihre Sorgen, Hoffnungen und Sehnsüchte sprechen. Sein Befund ist eindeutig: Im persönlichen Umfeld herrscht durchaus Optimismus, doch die Umwelt – also Politik, Gesellschaft und globale Krisen – wird überwiegend als bedrohlich wahrgenommen.
Diese Kluft führt dazu, dass viele Menschen versuchen, sich in eine private Nische zurückzuziehen. Das Eigenheim, der Garten, die Familie oder kleine Rituale werden zu einem Rückzugsort vor der unruhigen Welt.
Angst als Grundstimmung
Diese Haltung ist nicht neu. Schon immer haben Menschen in Zeiten von Unsicherheit versucht, Schutz im Inneren zu finden. Aber die Gefahr besteht, dass das „Schneckenhaus“ immer enger wird, je mehr wir uns der Angst hingeben. Wer sich nur noch abschottet, verliert Bewegungsfreiheit, Kreativität und die Fähigkeit, auf andere zuzugehen. Eine Gesellschaft, in der sich jeder nur in seinen privaten Raum zurückzieht, wird auf Dauer starr und kraftlos.
Blick in die Geschichte
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Menschen in Krisenzeiten ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Jesus selbst lebte in einer Epoche, in der Angst allgegenwärtig war. Um das Jahr 30 war die Lage in Israel äußerst angespannt. Die Römer unterdrückten das Land, jederzeit konnte ein Aufstand ausbrechen. Gewalt gehörte zum Alltag, wirtschaftliche Unsicherheit und Inflation erschwerten das Leben zusätzlich.
Die Menschen fühlten sich geknebelt, ohne Aussicht auf Veränderung. Umso stärker war die Sehnsucht, wenigstens innerhalb der Familie oder in kleinen Gemeinschaften Glück zu finden. Auch damals war die Flucht ins Private eine naheliegende Strategie.
Jesu Ermutigung
Doch Jesus setzte dem eine andere Sicht entgegen.
„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33).
Dieser Satz ist bis heute revolutionär. Er macht klar: Angst gehört zum Leben, sie darf aber nicht das letzte Wort haben.
Die Welt ist kein übermächtiger Feind, sondern ein Raum, in dem Gott handelt. Wer auf Gott vertraut, entdeckt neue Perspektiven und Möglichkeiten, die über das rein Menschliche hinausgehen.
Hilfe von innen statt von außen
Viele Menschen stellen sich die Frage: „Wer kommt und hilft uns?“ Dabei richten sie den Blick nach außen – auf die Politik, auf Hilfsprogramme, auf internationale Organisationen. Doch die eigentliche Veränderung beginnt in uns selbst.
Natürlich braucht es funktionierende Strukturen, aber entscheidend ist, ob wir in der Lage sind, unsere Angst zu überwinden und handlungsfähig zu bleiben. Wenn wir versuchen, uns eine „heile Welt“ aufzubauen, kann das kurzfristig Halt geben. Doch je mehr wir die Realität meiden, desto kleiner wird dieser Raum.
Es entsteht ein Teufelskreis: Angst führt zu Rückzug, Rückzug verstärkt die Angst. Befreiung gelingt nur, wenn wir aus dem Schneckenhaus herauskommen und uns der Welt stellen.
Musik als Trost und Ermutigung
Ein schönes Beispiel, wie Menschen Kraft schöpfen können, ist die Motette „Jesu, meine Freude“ von Johann Sebastian Bach. Besonders die dritte Strophe wirkt wie ein trotziges Bekenntnis gegen die Angst:
Musik allein ist nicht die Lösung – aber sie kann uns helfen, uns an Gottes Stärke zu erinnern.
Trotz dem alten Drachen,
trotz dem Todesrachen,
trotz der Furcht dazu.
Tobe, Welt, und springe;
ich steh hier und singe
in gar sichrer Ruh.

Mut zum Handeln
Am Ende geht es darum, die Angst nicht das eigene Leben bestimmen zu lassen. Christen glauben, dass Gott uns seine Liebe schenkt, damit wir frei handeln können. Er will uns schützen, nicht damit wir uns zurückziehen, sondern damit wir mutig in der Welt leben.
Natürlich gibt es große Probleme: die ökologische Krise, soziale Ungerechtigkeit, politische Spaltungen. Aber statt uns im Privaten zu verschanzen, können wir Aufgaben anpacken – im Vertrauen darauf, dass Gott uns begleitet. Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz der Angst zu handeln.
Fazit
Deutschland braucht Menschen, die sich nicht ins Schneckenhaus zurückziehen, sondern bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Wer sich von Gottes Kraft tragen lässt, gewinnt innere Freiheit, Gelassenheit und Mut.
Wir müssen die falsche Furcht über Bord werfen und die nötigen Aufgaben angehen. Dann können wir Schritt für Schritt Lösungen finden – nicht aus eigener Kraft allein, sondern mit Gottes Hilfe.